Vielfalt, Demokratie und Weltoffenheit vertreten und leben

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1.1. Vielfalt anerkennen und zum Standard entwickeln

Die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist erst seit kurzer Zeit Konsens; lange galt das Prinzip einer homogenen Mehrheitsgesellschaft. Heute haben 40 % der in Darmstadt lebenden Menschen einen Migrationshintergrund, das heißt, sie haben eigene Migrationserfahrung oder einen Elternteil, der im Ausland geboren ist. Sie alle sind längst zu einem selbstverständlichen und nicht mehr wegzudenkenden Teil unserer Stadt geworden. Für die meisten ist die Zugehörigkeit zu Deutschland und zu Darmstadt selbstverständlich. „Menschen mit Migrationshintergrund“ bezeichnen sich selbst mittlerweile als „neue Deutsche“ und ihre Organisationen als neue Deutsche Organisationen. Dieser grundlegenden Veränderung in der Selbstwahrnehmung muss heute eine Veränderung unserer Selbstwahrnehmung als Gesellschaft folgen. Alt-Bundespräsident Gauck hat bereits 2014 von einem „neuen deutschen Wir“ gesprochen und die Notwendigkeit einer „Einheit der Verschiedenen“ betont. Nicht umsonst finden wir neben dem Begriff der Einwanderungsgesellschaft immer häufiger den der Vielfaltsgesellschaft.

1.2. Unantastbarkeit der demokratischen Werte und der Menschenwürde

Verschiedenheit und Vielfalt sind kreativ und können unsere Gesellschaft mit Blick auf die Gesamtheit gestaltend und in großen Schritten voranbringen. Verschiedenheit und Vielfalt können jedoch auch Angst und Unsicherheit bis hin zu Ablehnung hervorrufen. Das zeigen uns die politischen Entwicklungen der letzten Jahre: welt-, bundesweit und auch in Darmstadt erleben wir Abwehr gegen Zuwanderung, gegen die Aufnahme von geflüchteten Menschen, allgemeine Ressentiments gegen Migrant*innen, gegen die „neuen Deutschen“, gegen internationale Vernetzungen. Wir erleben den Rückzug ins Nationale, das vermeintlich Sicherheit bieten soll und wir erleben in manchen Fällen die Ablehnung unserer demokratischen Werte.
Diesen Rückzug beziegungsweise das Verharren im Nationalen, die Ablehnung von Vielfalt bis hin zur Ablehnung demokratischer Werte finden wir aber auch unter Zugewanderten.
Wir brauchen daher eine stabile Grundlage, auf der wir die mit Vielfältigkeit, Verschiedenheit aber auch mit Benachteiligung verbundenen Herausforderungen gut und im Sinne des Gemeinwohls meistern können. Unsere Demokratie und unser Grundgesetz sind diese Grundlage. Es sind unsere demokratischen und solidarischen Werte und es ist die Unantastbarkeit der Würde des Menschen.
Hierfür müssen wir uns stark machen. Wir dürfen antidemokratischen Haltungen
keinen Raum lassen.
>>> Wir GRÜNE werden daher unsere Anstrengungen noch stärker auf die Demokratieförderung in unserer Stadt lenken.

1.3. Darmstadt lebt seine Weltoffenheit und Internationalität nach innen und außen

Wir sind und bleiben eine weltoffene Stadt! Wir haben die erste Phase der Fluchtzuwanderung erfolgreich mit Hilfe der gesamten Stadtbevölkerung bewältigt. In den nächsten Jahren steht die Integration der nach Darmstadt geflüchteten Menschen, die hier ihre neue Heimat gefunden haben, im Fokus. Dazu setzen wir bereits in allen gesellschaftlichen Bereichen die für eine erfolgreiche Integration notwendigen Maßnahmen um und werden sie gemeinsam mit allen relevanten Akteur*innen weiterentwickeln.
>>> Wir sind bereit, mehr Geflüchtete, als uns von Bund und Land zugewiesen werden, in unserer Stadt aufzunehmen. Wir unterstützen die Seenotrettung und verurteilen deren Kriminalisierung!
>>> Wir haben den Beitritt Darmstadts zum bundesweiten Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ unterstützt und werden weiterhin auf die Landes- und Bundesregierung einwirken, damit Darmstadt weitere Geflüchtete aus der Seenotrettung aufnehmen kann.

Unsere Weltoffenheit wollen wir durch eine noch stärkere und aktivere Rolle Darmstadts in der Welt leben. Die Covid-19-Pandemie hat noch deutlicher als die Finanzkrise der vorigen Dekade gezeigt, dass Städte und urbane Räume an vorderster Front bei der Bewältigung globaler Entwicklungen stehen und in kürzester Zeit tragfähige Lösungen für transnationale Problemen finden und implementieren. In Darmstadt haben wir hervorragende und exportfähige Strukturen und Modelle, mit denen wir das starke Profil Darmstadts in der Welt noch sichtbarer machen wollen und mit denen wir gemeinsam mit unseren Partner*innen an lokalen Lösungen für transnationale Probleme arbeiten möchten.

 

2. Interkulturelle Öffnung, Empowerment und eine gelebte Willkommens- und Anerkennungskultur

2.1. Strukturelle Benachteiligung abbauen und die gleichberechtigte Teilhabe vorantreiben

Die Integration von Zugewanderten, die wir als deren gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen verstehen, schreitet voran. Dennoch stehen wir in der Gestaltung der Einwanderungs- bzw. Vielfaltsgesellschaft noch immer vor „alten“ Herausforderungen: Noch immer gibt es strukturelle Benachteiligung, noch immer ist die gleichberechtigte Teilhabe von Zugewanderten auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen, beim Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, in der Bürgerbeteiligung und politischen Partizipation, auf dem Wohnungsmarkt, etc. erschwert.

>>> Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass die sichtbaren und die nicht sichtbaren Zugangsbarrieren abgebaut werden, dass die interkulturelle Öffnung und eine Willkommens- und Anerkennungskultur in unseren Organisationen umgesetzt und gelebt wird und dass wir Zugewanderte in ihren Ressourcen stärken. Dies sind die zentralen Aufgaben eines kommunalen Integrationsmanagements.

Unsere Stadtverwaltung ist die „Visitenkarte“ unserer Stadt! Wir verfolgen als zentrales Ziel der interkulturellen Öffnung, die Strukturen unserer Organisationen den Herausforderungen der Einwanderungs- und Vielfaltsgesellschaft anzupassen:
>>> Wir möchten den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund erhöhen.
>>> Wir werden die Angebote und Dienstleistungen unserer Ämter noch stärker entsprechend den Bedarfen einer Einwanderungsgesellschaft entwickeln.
>>> Wir werden die Partizipation von Zugewanderten an unseren Bürgerbeteiligungsprozessen und die Willkommens- und Anerkennungskultur noch stärker fördern.

Wir werden bei der Entwicklung von Maßnahmen in allen Handlungsfeldern – Bildung, Soziales, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Wohnen – und für alle Zielgruppen – Kinder, Jugendliche, Frauen, Ältere, Familien – immer darauf achten, dass Integration als Querschnittsthema berücksichtigt wird.

2.2. Kommunales Integrationsmanagement durch die Gestaltung von Vielfalt

Wir werden im Rahmen des WIR-Programms (Wegweisende Integrationsansätze Realisieren) des Landes Hessen im Amt für Interkulturelles und Internationales ein WIR-Vielfaltszentrum einrichten, das diesen Prozess der Interkulturellen Öffnung weiter vorantreibt, das die Teilhabe von Zugewanderten an den Angeboten durch Empowermentstrategien stärkt und das das Ehrenamtsengagement mit Zugewanderten intensiviert.
Wir unterstützen die Weiterführung und Intensivierung von Elternbildungs- und -partizipationsprojekten an Darmstädter Schulen und Kitas sowie die Stärkung der Communities und ihrer Selbstorganisationen durch die Förderung zahlreicher Bildungsprojekte.
>>> Wir setzen uns für eine stärkere Beteiligung von MigrantInnenselbstorganisationen an Maßnahmen zur Demokratieförderung insbesondere mit einem neuen Modellprojekt (Darmstädter MSOs aktiv für Demokratie – DAMAfD) ein. Das Ehrenamt in der Arbeit mit Neuzugewanderten wollen wir mit einem weiteren neuen Modellprojekt (Darmstädter trifft Neu-Darmstädter) stärken.
>>> Wir wollen das kommunale Integrationsmanagement für die Menschen, die zu uns geflüchtet sind und in Darmstadt ihre neue Heimat gefunden haben sowie für alle Zugewanderten mit den relevanten Akteur*innen der Stadt in Integrationsforen weiterentwickeln. Dabei werden wir uns an den Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen orientieren, die im Wegweiser „Vom Zufluchtsort zur Heimat“ aufgeführt sind.
>>> Und wir werden die Kampagne „Darmstadt bleibt weltoffen“ weiterführen.

2.3. Wichtige Integrationshelfer*innen: Mehrsprachigkeit, Vermittlungskräfte, Spracherwerb

Wir werden weiterhin und verstärkt den Einsatz von interkulturellen Vermittlungskräften, die die Arbeit von Fachkräften in Schulen, in Kitas, im Gesundheitswesen stark erleichtern, unterstützen.
Ebenso wollen wir, dass weiterhin für diejenigen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, wichtige Informationen mehrsprachig und in einfacher Sprache als Printversion sowie als online abrufbares Material aufgelegt wird. Wie wichtig und hilfreich diese mehrsprachigen Angebote sind, ist während der Corona-Pandemie deutlich geworden. Auch die Neubürgerbroschüre, die mittlerweile neben Deutsch auch auf Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Arabisch, Russisch und Polnisch aufgelegt ist, unterstützt mit ihren Handreichungen Neubürger*innen. Sie ist ein klares Zeichen gelebter Willkommenskultur.
>>> Wir werden die Integrationskurse und auch die zusätzlichen Spracherwerbsangebote weiter ausbauen und gleichzeitig unsere Forderungen an Land und Bund aufrechterhalten, vermehrt und unbürokratisch Maßnahmen und Programme aufzulegen, die es Stadt und freien Trägern ermöglichen, dem hohen Bedarf an Deutsch-Kursen gerecht zu werden.

 

3. Demokratieförderung, Antidiskriminierung, Erinnerungsarbeit und Extremismusprävention

3.1. Die aufgeklärte demokratische Haltung der Stadtbevölkerung stärken

Wir sind überzeugt, dass die Gestaltung einer weltoffenen Einwanderungs- und Vielfaltsgesellschaft nur mit intensiver Demokratieförderung, Antirassismusarbeit, Erinnerungsarbeit und Extremismusprävention gelingen wird. Dies wird besonders durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen – sei es in Form rechtsextremer oder radikalreligiöser Tendenzen oder in Form einer sich verschärfenden gesellschaftlichen Konflikt- und Spaltungslinie deutlich. Diese Spaltungslinie, die sich mit den Themen Migration und Einwanderung vertieft hat, drückt sich besonders im Erstarken nationalistischer und antidemokratischer Haltungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen aus.
>>>> Um diesen Entwicklungen präventiv zu begegnen und etwas entgegenzusetzen, setzen wir uns ein für die Stärkung zivilgesellschaftlicher Kräfte und der Akteur*innen in bildungspolitischen und pädagogischen Handlungsfeldern, für die Förderung demokratischer Teilhabe und für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander.

Bereits seit über zehn Jahren setzt Darmstadt Bundesprogramme zur Demokratieförderung auf kommunaler Ebene in einer Lokalen Partnerschaft für Demokratie um. Wir wollen, dass die im Jahr 2017 im Rahmen des Programms „Demokratie Leben!“ zum ersten Mal als Veranstaltungsreihen konzipierte Demokratiereihe weiter durchgeführt wird.
Fachkräfte und die breite Öffentlichkeit sollen weiter sensibilisiert und im Umgang mit antidemokratischen Haltungen gestärkt werden. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit Themen wie Nationalismus und Populismus in der Einwanderungsgesellschaft, Antiziganismus und Antisemitismus, Homophobie, Muslimfeindlichkeit und radikalreligiöse Tendenzen. Unterschiedliche Veranstaltungsformate wie Workshops, Informationsveranstaltungen, Demokratiekonferenzen, Podiumsdiskussionen, Projekte und Aktivitäten unter anderem auch mit Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bereich sollen weiterhin dazu dienen, unserer Stadtbevölkerung und unsere Fachkräfte in ihrer aufgeklärten demokratischen Haltung zu stärken.

Die erfolgreiche und wirksame Umsetzung solcher Projekte braucht eine breite Basis und ein gut funktionierendes Netzwerk: In der Partnerschaft für Demokratie und der AG Aktion Weltoffenes Darmstadt! sind Vertreter*innen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Arbeit, Bildung und Religion vertreten, darunter die christlichen Kirchen, die Jüdische Gemeinde, MigrantInnenselbstorganisationen, Hochschulen, Schulen, Studierendenvertretung, Jugendring, Vertretung der Schüler*innen und Gewerkschaften (Gewerkschaftsjugend). Ein besonderes Kennzeichen des Darmstädter Netzwerks ist die Einbeziehung und die aktive und gestaltende Teilnahme von Vertreter*innen der Minderheiten, so der Landesverbands der deutschen Sinti und Roma oder die Interessengemeinschaft der Darmstädter MigrantInnenselbstorganisationen.
>>> Die Netzwerke „Partnerschaft für Demokratie“ und „AG Aktion Weltoffenes Darmstadt!“ sollen weiter ausgebaut und in ihrer ehrenamtlichen Arbeit gestärkt werden.
>>> Wir werden auch in den nächsten Jahren den Preis für Gesicht zeigen! verleihen und damit ein deutliches Zeichen für Zivilcourage setzen.

3.2. Erinnerungsarbeit als Aufklärung und Zukunftsaufgabe

In Darmstadt gehen Demokratieförderung, Antirassismusarbeit und Erinnerungsarbeit Hand in Hand. Wir verstehen Erinnerungsarbeit als Aufklärung und Zukunftsaufgabe und sind überzeugt, dass diese Arbeit angesichts der aktuellen (welt-)politischen Lage zunehmend wichtiger wird. In Darmstadt gibt es eine lange Tradition des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus und der Kontaktpflege zu den ehemaligen Darmstädter jüdischen Mitbürger*innen. Wir betonen die Bedeutung der Darmstädter Gedenkjahre „Gegen das Vergessen!“, die sich mit ihren jeweiligen Schwerpunktsetzungen intensiv mit dem Nationalsozialismus, der Verfolgung und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma im Holocaust sowie dem II. Weltkrieg auseinandersetzen.
>>> Wir werden in 2021 mit zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen der Kölner Initiative „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ die jahrhundertelange Präsenz jüdischen Lebens in unserer Region sichtbar machen. > Kultur

Das gebündelte Engagement vieler zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen, darunter viele aktive Schüler*innen, hält unsere wichtige Tradition der Erinnerung am Leben und füllt sie auch mit Leben. Im Sinne der Erinnerungsarbeit als Aufklärung und Zukunftsaufgabe halten wir auch die Auseinandersetzung mit unserer jüngeren Vergangenheit für ausgesprochen wichtig, wie beispielsweise das Gedenken an die rassistischen Angriffe in Hoyerswerda, das sich 2021 zum 30. Mal jährt. Wir werden auch in Zukunft Themen unserer neueren Vergangenheit bearbeiten.

3.3. Auf allen Ebenen vernetzt für eine demokratische und solidarische Gesellschaft

In diesem Sinne unterstützen wir das Hessische Plädoyer für ein solidarisches Zusammenleben, das unter dem Motto „Die Würde des Menschen zu schützen ist Sinn der Demokratie“ steht und dessen Unterzeichnende sich klar und eindeutig gegen Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung wenden und für die Freiheit als Kern der Menschenwürde sowie für Gleichheit, Respekt und Teilhabe in unserer Gesellschaft positionieren.
>>> Letztendlich werden wir die internationale Vernetzung im Bereich der Demokratieförderung, die wir mit dem Beitritt zur europäischen Städtekoalition gegen Rassismus der UNESCO eingeleitet haben, ausbauen und vorantreiben.

3.4. Proaktiv gegen jede Form von Diskriminierung handeln

Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, aufgrund des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung oder aufgrund einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität nehmen wir in unserer Stadtgesellschaft nicht hin! Wir sehen es weiterhin als notwendig an, auf kommunaler Ebene proaktiv, steuernd und präventiv zu handeln. Ein*e lokale*r Antidiskriminierungsbeauftragte*r könnte hier durch Bedarfserhebung und Entwicklung einer Antidiskriminierungsrichtlinie Maßnahmen gezielt koordinieren und umsetzen.
Wir haben bereits mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle LSBT*IQ den ersten Schritt getan, damit Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Zugehörigkeit entgegengewirkt wird. > Queeres Darmstadt
>>>>
Es existieren weitere Diskriminierungsmerkmale wie Alter, Ethnie oder Weltanschauung und wir werden Maßnahmen entwickeln, die dazu beitragen, dass in unserer Stadt kein Mensch einen anderen diskriminieren kann.
>>> Wir setzen uns darüber hinaus für ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landeseben (siehe Forderungen an Land und Bund) ein.

3.5. Präventiv gegen jede Form des Extremismus

Das Erstarken extremistischer Ideologien und Haltungen und der Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung müssen wir auch auf lokaler Ebene etwas entgegensetzen. Neben rechtsextremen Tendenzen müssen wir uns in Darmstadt seit einiger Zeit auch mit radikalreligiösen Tendenzen (insbesondere Salafismus) sowie Muslimfeindlichkeit als immer größere Herausforderung auseinandersetzen.
Wir haben daher die Einrichtung einer DEXT-Fachstelle (Demokratieförderung und Extremismusprävention) beim Amt für Interkulturelles und Internationales unterstützt, die insbesondere Fachkräfte im Umgang mit demokratiefeindlichen und extremistischen Tendenzen Handlungssicherheit geben soll. Primär sollen folgende Zielgruppen erreicht werden: Lehrkräfte und Erzieher*innen in Schulen und Kitas, Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit und der Schulsozialarbeit, MigrantInnenselbstorganisationen (Vereine von Migrant*innen), Jugendverbände und -einrichtungen, Vereine, Ämter (insbesondere das Jugendamt), Akteur*innen der Stadtteilarbeit und die breite Öffentlichkeit. Sekundär ebenfalls erreicht werden sollen: Politik und Verwaltung, Sportvereine, Bildungseinrichtungen, Geflüchtete und Geflüchtetenhilfe.

 

4. Internationalisierung und Vernetzung, europäischer Zusammenhalt und nachhaltige Entwicklung weltweit

4.1. Eine internationale Wissenschaftsstadt braucht eine international ausgerichtete
Stadtverwaltung

Die Stadt Darmstadt als international ausgerichteter Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort braucht eine international handelnde Verwaltung. So vielfältig und international ausgerichtet die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Kultur und die Bevölkerung Darmstadts sind, so international ausgerichtet soll auch ihre Verwaltung werden.
>>> Wir möchten eine Internationalisierungsstrategie für unsere kommunale Verwaltung, die die Fachämter und Einrichtungen der Stadtverwaltung gemeinsam gestalten sollen.

Der Austausch mit unseren Partnerstädten und mit anderen Kommunen im Ausland kann unsere Innovationskraft erhöhen und neue Ideen für Problemlösungen bringen. Damit erreichen wir höhere Servicequalität, Effektivität und Effizienz auch für die Bürger*innen unserer Stadt. Internationalität soll eine Querschnittsaufgabe in unserer Verwaltung werden.

4.2. Mit internationalem kommunalem Fachaustausch Ressourcen für die Stadt gewinnen

Wir möchten den internationalen kommunalen Fachaustausch zu einem strategischen Ziel der Stadt machen. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt pflegt seit über sechs Jahrzehnten partnerschaftliche Beziehungen zu 15 Städten in Europa und seit 2017 mit der Stadt San Antonio in den USA sowie eine Städtefreundschaft mit Naharyia in Israel. Die zahlreichen Bürger-, Schul- und Kulturaustausche mit unvergesslichen Festen dank der Beteiligung vieler engagierter Darmstädter*innen bereicherten das Leben in Darmstadt über ein halbes Jahrhundert. Sie sind selbstverständlicher Bestandteil des öffentlichen Lebens geworden. Persönliche Beziehungen zwischen Einwohner*innen beiderseits sind entstanden, engagierte
Bürger*innen aus Darmstadt gründeten Partnerschaftsvereine.
Diese über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu den Partnerkommunen im Rahmen der Städtepartnerschaften bieten nun eine breite Basis für erweiterte Zusammenarbeit auf der Fachebene zum Wohle aller Menschen.
Gerade die aktuelle Corona-Krise hat die Notwendigkeit für intensiveren Fachaustausch zwischen Städten deutlich gemacht und beispiellos gezeigt, dass städtepartnerschaftliche Beziehungen besonders vertrauensvolle und daher effiziente Kommunikationswege bieten.
Wir sehen diese Arbeit in vielen Bereichen als Exportmodell: in der nachhaltigen Stadtentwicklung, der Kulturförderung, dem Klimaschutz, der Demokratieförderung und dem kommunalen Integrationsmanagement, in den Bereichen Soziales und Gesundheit, in der Frauenpolitik oder in der Bürgerbeteiligung. Wir wollen unsere Best-Practices und unsere Expertise mit unseren Partnerstädten und anderen Kommunen im Ausland teilen und gemeinsam mit ihnen an Problemlösungen für unsere Zeit und für das Gemeinwohl arbeiten.

4.3. Europäischen Zusammenhalt stärken

Durch die historische Entwicklung der Städtepartnerschaften war europapolitische Arbeit lange Zeit eingebettet in die Maßnahmen und Aktivitäten von Städtepartnerschaften, im weitesten Sinne als übergeordnetes Ziel der „Vermittlung des europäischen Gedankens durch Völkerverständigung“. Bei der Mehrheit der Bürger*innen Europas hat sich ein starkes europäisches Bewusstsein und eine europäische Identität etabliert. Die Entwicklungen der letzten Jahre und insbesondere die zum Teil rückwärtsgewandten Entwicklungen wie das Erstarken nationaler Ideologien mit autoritären und undemokratischen Tendenzen in der Regierungsführung mancher europäischer Länder fordert uns dringend auf, die europapolitische Arbeit von heute neu zu denken.
Wir stehen hinter der „Stuttgarter Europapolitischen Deklaration“ 2018, mit der der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Forderung an die EU richtet, „politische Verantwortung für die Kommunen zu schaffen und die Partnerschaft zwischen EU und Kommunen zu sichern!“
Wir wollen europapolitische Themen stärker in die Öffentlichkeit bringen und noch mehr für Europa werben. Hierbei werden Erinnerungskultur und die kritische Auseinandersetzung mit der europäischen Migrations- und Minderheitenpolitik weiterhin zentral sein.
>>> Wir verstehen die Zukunft eines weltoffenen Darmstadts nur in einem vereinten Europa und unterstützen die Arbeit von Bürgerinitiativen wie Pulse of Europe.

4.4. Mit Städtediplomatie in internationale Netzwerke einwirken

Wir setzen uns für eine nachhaltige, soziale und ökologische Welt ein und möchten über die Grenzen Europas hinaus die internationale kommunale Zusammenarbeit stärken.
Bis vor wenigen Jahren beschränkte sich die Zuständigkeit der Städte und Kommunen in Außenbeziehungen hauptsächlich auf die Pflege von Städtepartnerschaften. Heute übernehmen kommunale Partnerschaften oft die Funktion als Brückenbauer insbesondere dann, wenn sich auf der nationalstaatlichen Ebene Spannungen ergeben. Die Kontakte zwischen Städten bleiben ungeachtet politischer schwieriger Situationen – wie in jüngster Zeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA oder der Türkei – meistens bestehen und eröffnen einen Raum für Dialog.
Die internationale kommunale Zusammenarbeit wird endlich als wertvolle Ressource für die Außenbeziehungen der Bundesrepublik erkannt. Wir sind überzeugt, dass wir uns durch lokales Handeln und lokale Politiken an der Lösung globaler Probleme – wie des Klimawandels oder Fluchtbewegungen – im Rahmen der sogenannten „Städtediplomatie“ beteiligen müssen.
>>> Wir werden uns noch stärker in internationalen Netzwerken wie EU Mayors Konvent für Klimaschutz, Mayors for Peace, Mayors against Antisemitism, Städte gegen die Todesstrafe (Cities for Life), Europäische Städtekoalition gegen Rassismus oder Rainbow Cities Network einbringen und diese aktiv mitgestalten.
>>> Wir wollen noch einen Schritt weiter gehen und die Stadtbevölkerung an der Gestaltung des internationalen Profils Darmstadts beteiligen. Wir werden ein Konzept und geeignete Maßnahmen zur Einführung der „Bürgerdiplomatie“ in Darmstadt entwickeln.

4.5. Für eine gerechtere Welt durch nachhaltige Entwicklung

Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für eine nachhaltige globale Entwicklung und haben bereits im November 2018 die Einrichtung einer Koordinationsstelle kommunaler Entwicklungspolitik befürwortet und unterstützt.
Wir wollen für ein friedlicheres und gerechteres Miteinander auch in anderen Ländern der Welt die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen umsetzen. Die Durchführung von Maßnahmen in den unten aufgeführten Bereichen der SDGs (Sustainable Development Goals / Ziele für nachhaltige Entwicklung) unterstützen wir: Soziales, Migration und Entwicklung, Klimaschutz und Mobilität, nachhaltige Städte und Gemeinden, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sowie Partnerschaften.
Wir wollen eine engere Zusammenarbeit mit den Partnerstädten hinsichtlich Themen der kommunalen Entwicklungspolitik und streben gemeinsame Projekte an, zum Beispiel mit San Antonio und Bursa in den Bereichen Zuwanderung und Flucht oder Fachaustausch und gemeinsame Projekte zwischen Sozialen Diensten, Frauenförderung und Bürgerbeteiligung mit Ushgorod.

Frauenpolitik war von Anfang an international. Ob über Programme zu Städtepartnerschaften, in internationalen Konferenzen oder in Projekten der kommunalen Entwicklungspolitik will die Stadt den Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft, d.h. mit Frauenrechtlerinnen und Frauenvereinen im und aus dem Ausland intensivieren. Dies unterstützen wir. Auch im Rahmen der internationalen Jugendarbeit sollen Mädchen in Ländern des globalen Südens eine besondere Zielgruppe sein, um ihnen durch Bildung und zivilgesellschaftliche Teilhabe neue Lebensentwürfe zu ermöglichen.
>>> Auch gegen die Gewalt gegen Frauen in Konfliktregionen soll Darmstadt durch zielgerichtete Projekte aktiv werden. Wir setzten unser Know How zu ihrem Schutz und für eine frauenfreundlichere Welt ein. > Frauenpolitik

Um auf den Klimawandel konzertiert zu reagieren wollen wir anderen Städten im Ausland, vor allem in unserer Partnerstadt Ushgorod, mehr Unterstützung bei der Einführung von Maßnahmen zu Abfallwirtschaft und Mobilität bieten. Diese sollen zudem zur gezielten Verbesserung des lokalen Kleinklimas beitragen, mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität sichern und die Gesundheit der Menschen schützen.
Die bisher erfolgreiche Arbeit innerhalb des bundesweiten Bündnises „Städte Sicherer Häfen“ soll im Rahmen von Entwicklungspartnerschaften erweitert werden, um zusammen mit anderen Partnerstädten und Städten im globalen Süden daran mitzuwirken, die Fluchtursachen zu minimieren.
Ein besonderes Augenmerk lenken wir dabei auf die Einbindung der Migrantencommunities und ihrer Selbstorganisationen in die internationale Zusammenarbeit und die kommunale Entwicklungspolitik.

 

5. Forderungen an Bund und Land

Eine weltoffene und international ausgerichtete Einwanderungs- und Vielfaltsgesellschaft wird lokal und vor Ort gestaltet, von und mit den Menschen, die dort leben. Das tun wir und das wollen wir auch weiterhin tun.
Viele Zuständigkeiten liegen allerdings noch immer auf Landes- und Bundesebene, weshalb die Kommunen nicht alle Hebel in der Hand haben, um notwendige Veränderungen einzuführen.
>>> Wir fordern daher von Bund und Land die Schaffung gesetzlicher Grundlagen und die Entwicklung von Programmen, damit die Kommunen mehr Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten haben.

5.1. Für ein modernes Einwanderungsgesetz

Wir unterstützen die Forderungen der Bundespartei Bündnis 90/DIE GRÜNEN nach einem modernen Einwanderungsgesetz, das – anders als das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ der Bundesregierung – die Interessen und Talente der Menschen mit und ohne sicheren Aufenthaltsstatus, der Herkunftsstaaten und Deutschlands, in Einklang bringt. Wir setzen uns gerade angesichts der neuen Zuwanderung durch Geflüchtete für ein neues Einwanderungsgesetz ein, das mehr Menschen die Möglichkeit gibt einzuwandern, das bürokratische Hürden abbaut und Eingewanderten in Deutschland ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.
>>> Wir fordern ein Einwanderungsgesetz, das Asylsuchenden und Geduldeten – bei beruflicher Eignung – einen aufenthaltsrechtlichen „Spurwechsel“ in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht.

Die bislang bestehende Undurchlässigkeit für Asylsuchende, einen anderen Aufenthaltstitel zu erhalten, hat dazu beigetragen, dass viele Menschen seit langer Zeit durchgehend geduldet werden, aber nicht arbeiten und teilhaben dürfen und ihre Potenziale versanden.

5.2. Für die kommunale Aufnahme von aus Seenot geretteter Geflüchteter

Wir unterstützen die Forderungen der Städte, die sich – wie Darmstadt – als Mitglied im Bündnis der Seebrücke „Städte Sicherer Häfen“ an Bund und Land wenden. Wir fordern von der Bundesregierung und dem Bundesinnenminister, dass diese sich für eine langfristige Lösung zur Sicherung der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen auf europäischer Ebene einsetzen.
>>> Wir fordern die schnellstmögliche Zusage, dass die aufnahmebereiten Kommunen und Gemeinden die aus Seenot im Mittelmeer geretteten Geflüchteten auch aufnehmen können und diese bei Aufnahme, Unterbringung und Finanzierung zu unterstützen.
>>> Wir fordern eine Bund-Länder-Vereinbarung im Sinne einer direkten Aufnahme von aus Seenot Geretteter.

5.3. Für ein Kommunales Wahlrecht

Wir haben auf kommunaler Ebene die Partizipationsmöglichkeiten von Migrant*innen soweit wie möglich ausgeschöpft und die Einführung des Antrags- und Rederechts für den Ausländerbeirat in der Stadtverordnetenversammlung und ihren Ausschüssen aktiv unterstützt. Wir stehen zu einer Beibehaltung des Ausländerbeirats in Darmstadt und fordern weiterhin das kommunale Wahlrecht für alle!
Denn eine Gesellschaft, die einen Teil der Bevölkerung von politischen Entscheidungen ausschließt, verliert ihre demokratischen Grundlagen. Wir können es uns nicht länger leisten, zwei Drittel der ausländischen Bevölkerung von der politischen Willensbildung durch Wahlen auszuschließen.

5.4. Für ein Antidiskriminierungsgesetz

Wir fordern ein hessisches Antidiskriminierungsgesetz, das die Lücken des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene wirksam schließt. In dieses Gesetz sollen Schulen und Behörden einbezogen sein. Beschwerdestellen für rassistische und rechtsextreme Vorfälle in diesen Bereichen sowie ein Verbandsklagerecht sollen darin vorgesehen sein. Darüber hinaus soll in der hessischen Verfassung Anti-Rassismus als Staatsziel eingeführt werden.