Wahlprüfsteine „Hauptelternbeiräte“

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Liebe Eltern,
sehr gerne beantworten wir Ihre Fragen ausführlich und freuen uns, dass Sie das wichtige Thema Kinderbetreuung damit in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen:

Allgemeine Betreuungssituation

Seit 2013 besteht für Kinder ab einem Jahr ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Dass eine solche Betreuung zum gewünschten Zeitpunkt angeboten werden kann, ist auch in Darmstadt noch keine Selbstverständlichkeit; oft warten Eltern Monate auf eine Zusage. Dies hängt sicherlich auch mit der hohen Auslastung der bestehenden KiTas und der wachsenden Kinderzahl zusammen.

Welche Pläne haben Sie, den steigenden Bedarf in Zukunft zu decken? Bitte beschreiben Sie kurzfristige und langfristige Pläne.

Seit dem Jahr 2011 ist der Ausbau der Kinderbetreuung im Sozialdezernat mit oberster Priorität vorangetrieben worden.
Sowohl der quantitative Ausbau als auch die Qualität der Betreuung durch die Darmstädter Qualitätsstandards wurden bearbeitet. Wir sind mit unseren Bemühungen, gemeinsamen mit den Trägern der Kinderbetreuung (es gibt eine vielfältige Trägerlandschaft), noch nicht am Ende, insbesondere bei der Betreuung in Stadtteilen werden wir unseren Fokus legen (konkrete Planungen für Eberstadt, Kranichstein, Wixhausen und Innenstadt). Darmstadt wächst und dementsprechend muss auch die soziale Infrastruktur mitwachsen.

Kurzer Rückblick:

Mit Stichtag 20.6.2012 lag die Versorgungsquote im U3-Bereich bei 36,02% (1.524 Plätze bei 4.231 Kindern) und im Ü3- Bereich bei 94,95% (4.509 Plätze bei 4.749 Kindern)

Mit Stichtag 31.12.2015 lag die Versorgungsquote im U3-Bereich bei 45,1 % (1.977 Plätze bei 4.386 Kindern) und im Ü3-Bereich bei 99,5 % (5.054 Plätze bei 5.078 Kindern).

Mit Stichtag 31.12.2020 liegt die Versorgungsquote im U3-Bereich bei 44,2% (2.088 Plätze bei 4.723 Kindern) und im Ü3-Bereich bei 105,9% (5.564 Plätze bei 5.253 Kindern).

Zu beachten ist dabei, dass im Jahr 2016 mit rund 250 Geburten mehr als in den vorhergehenden Jahren ein Geburtenrekord zu verzeichnen war. Diese Kinder sind heute alle im Kindergartenalter!

Weitere Platzausbauten sind bereits projektiert und mit Magistrats- bzw. Stadtverordnetenbeschlüssen hinterlegt und werden ab dem Jahr 2021 sukzessive in Betrieb genommen (u.a. Bildungscampus Luise-Büchner, Kita an der Ludwig-Schwamb-Schule, Bildungscampus Heinrich-Hoffmann, Kita Moltkestraße, Marienplatz, Moltkestraße usw.).
In Planung und Bau befinden sich eine hohe Zahl an Neubau- und Sanierungsprojekte für Kinderbetreuungseinrichtungen in Darmstadt, die zu einem wesentlichen Ausbau im U3- und Ü3-Versorgungsbereich führen werden. Derzeit sind insgesamt rund 460 U3-Plätze und rund 900 Ü3-Plätze in unterschiedlichen Planungs- und Baustadien zur Umsetzung projektiert. Die Luise-Büchner-Kita wird Mitte des Jahres eröffnet, Heinrich-Hoffmann-Kita hatte gerade Baubeginn, Planungen für Wixhausen laufen intensiv, Moltkestraße ist bereits Baubeginn und die Kita in Eberstadt befindet sich im Ausschreibungsverfahren.

Darmstadt bietet eine große Vielfalt an Menschen und auch der Einrichtungs-Landschaft. Wie positionieren Sie sich zu der Einführung stadtweiter Qualitätsstandards gegenüber der Wahrung der Individualität von Einrichtungen? Wie kann ein Mittelweg zum Wohle der Kinder aussehen?

Wir haben als führende Fraktion auch zur Qualität der Kinderbetreuung bereits 2015 einen Stadtverordnetenbeschluss herbeigeführt, der grundlegende Punkte festlegt.

https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=250803100092&nid=ni_2015-Mag-404&status=1&suchbegriffe=Qualit%C3%A4tsstandards+Kinderbetreuung&select_koerperschaft=&select_gremium=&datum_von=11.01.2006&datum_bis=14.12.2021&richtung=ASC&entry=&kriterium=be&x=20&y=3
Dies war nicht nur aufgrund der Änderung im KiFöG relevant, sondern auch, um z. B. das Verhältnis von Kind zu Fachkraft besser zu stellen, die Vorbereitungszeiten der Erzieher*innen auszuweiten, die Fortbildungsmittel zu erhöhen, zusätzliche Stellen für Fachberatungen einzurichten und nicht zuletzt die Freien Träger in eine 100% Finanzierung zu bringen uvm.
Sie sehen aus der Vorlage selbst, dass zahlreiche wichtige Punkte umgesetzt wurden. Gleichzeitig ist auch eine Flexibilität hinterlegt, so dass die Individualität der Einrichtungen gewährleistet ist, zum Beispiel was die Konzepte oder besondere Angebote betrifft.
Wichtig ist uns, dass hinter diese Standards keine Einrichtung zurückfällt, die von der Stadt den Betriebskostenzuschuss erhält.

Qualität der Betreuungssituation

Für die Qualität einer Kinderbetreuung gibt es viele Indizien, zentral sind sicherlich der Betreuungsschlüssel – also die Quote der MitarbeiterIn zu betreuenden Kindern – und die finanziellen Mittel, die den einzelnen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Auch vor dem Hintergrund des Schutzes der MitarbeiterInnen der Einrichtungen ist eine Erhöhung des Personalstandes erstrebenswert.

Liegt es in Ihrem Interesse, die Betreuungsschlüssel für Darmstädter KiTas zu senken, wenn ja, wie möchten Sie dies vorantreiben?

Der Betreuungsschlüssel ist bereits mit 11 bzw. 22 Kindern durch die Darmstädter Qualitätsstandards gedeckelt. Dies ist hessenweit ein sehr guter Betreuungsschlüssel. Wir würden diesen Standard keinesfalls absenken.
Vielmehr geht es darum, ausreichend Personal zu akquirieren, um den Standard auch in der Praxis halten zu können. Dafür sind die Qualitätsstandards eine gute Basis (s. auch Frage 2c)

Ist eine Erhöhung der finanziellen Mittel für Einrichtungen, sowohl in spezifischen Ausgabenbereichen als auch zur selbstgewählten Verfügung, geplant?

Die Aufwendungen für Kinderbetreuung haben sich seit 2011 bis zum Haushalt 2021 mit 100 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Darin sind die Personalkosten der städtischen Einrichtungen noch nicht mal enthalten.
Vor Ort in den einzelnen Kitas erhalten die städtischen Einrichtungen Budgets, die auch bereits angepasst wurden. Hier können wir uns eine Erhöhung durchaus vorstellen um den Anforderungen an gute Pädagogik noch besser gerecht zu werden.
Für die freien Träger werden vertraglich Betriebskosten vereinbart, in denen alle notwendigen Kosten aufgestellt sind. Besondere Angebote können nach Absprache in den Verträgen aufgeführt werden.

Welche Maßnahmen möchte Ihre Partei umsetzen, um die MitarbeiterInnen in den Einrichtungen respektvoll – darunter verstehen wir zusätzlich zu den zur Zeit vertraglich festgesetzten Pflichten als ArbeitgeberIn – für ihre gesellschaftlich wertvolle Arbeit zu entlohnen?

Es ist bislang gelungen, die Faktoren wie Fortbildungen, Supervision, Betreuungsschlüssel, Vorbereitungszeit usw. in den Qualitätsstandards gut zu berücksichtigen.
Leider konnten wir in der aktuellen Koalition nicht die Eingruppierung nach TVöD 8b erreichen. Diese Forderung haben wir in unserem Wahlprogramm hinterlegt und wollen diese Bezahlung in Koalitionsverhandlungen einbringen. Die Aufwertung der Arbeit der Erziehenden muss natürlich auch über die Bezahlung zum Ausdruck kommen.
Auch die Leitungsfreistellung für alle Träger steht als To-Do noch aus, wenngleich über das Gute-Kita-Gesetz hier bereits ein Fortschritt zu verzeichnen ist, muss kommunal hier noch nachgebessert werden (z. B. Leitungen in städtischen Einrichtungen mit Außenstellen).

Vernetzung Stadt und Eltern

Die Stadt ist allgemein zuständig für das Thema Kinderbetreuung, sowohl für eigene Einrichtungen als auch die der anderen Kinderbetreuungsträger. In gemeinsamen Trägerrunden wird diesbezüglich das gemeinsame Vorgehen abgesprochen. Auf Elternseite existieren derzeit nur vereinzelte übergeordnete Elternbeiräte, wie zum Beispiel den Hauptelternbeirat der städtischen Einrichtungen oder der Dekanats-Elternvertretung für einige evangelische KiTas.

Wie stellen Sie sich zukünftig die Zusammenarbeit mit dem Hauptelternbeirat vor? In welche Themen wollen Sie die Eltern besonders einbinden, wo die Zusammenarbeit stärken?

Was halten Sie von einer stärkeren politischen Einbindung der Elternschaft in aktive politische Prozesse, wie zum Beispiel ein Sitz im Jugendhilfeausschuss oder ähnlichem?

Wir halten die Einbindung der Eltern in Entscheidungen für absolut notwendig. Von daher hat die Stadtverordnetenversammlung auch unter unserer Federführung bereits im Juli 2015 die Kindertagesstättenelternbeiratssatzung beschlossen. Darin sind alle relevanten Punkte geregelt. Die Eltern selbst haben zum damaligen Zeitpunkt die Anforderungen definiert, bei denen Mitspracherechte und Beteiligungen gegeben sein müssen – damaliger HEB-Vorsitzender war Friedhelm Remmel.

https://darmstadt.more-rubin1.de/beschluesse_details.php?vid=251606100233&nid=ni_2015-Mag-415&status=1&suchbegriffe=Elternbeirat&select_koerperschaft=&select_gremium=&datum_von=11.01.2006&datum_bis=14.12.2021&richtung=ASC&entry=&kriterium=be&x=12&y=2

Darüber hinaus ist eine kontinuierliche und transparente Kommunikation zwischen der Verwaltung/dem Dezernat und den Elternbeiräten, insbesondere vertreten durch den Hauptelternbeirat, für uns eine sehr wichtige Komponente. Wir sprechen von Erziehungspartnerschaften zwischen Kita und Eltern, also ein Miteinander auf Augenhöhe, dies muss auch zwischen Eltern, Verwaltung und Politik gewährleistet sein.

Sie können davon ausgehen, dass wir GRÜNEN kontinuierlich von unserer zuständigen Dezernentin informiert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Dennoch ist die Frage für uns interessant, ob es nicht in regelmäßigen Abständen zu der bereits laufenden Gremienarbeit Abstimmungen zwischen Hauptelternbeirat und der künftigen Fraktion geben könnte. Dem stehen wir sehr offen gegenüber.

Die Elternbeiräte sollten aus unserer Sicht bei allen Themen beteiligt werden. Insbesondere stehen Themen wie Digitalisierung und Medienkompetenz in Kitas an, ebenso die Frage der Essensversorgung mit gesunder Ernährung (dazu gab es ebenfalls bereits den Stadtverordnetenbeschluss, dass mehr Bio in die Gemeinschaftsverpflegung einfließen soll). Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt, dass sehr viele Fragen eng zwischen Dezernat, Jugendamt und Eltern abgestimmt werden müssen, so z. B. die Fragen der Betreuungszeitverkürzung oder auch die Rückerstattung von Entgelten, die wir voll unterstützen. Selbstverständlich sind auch strategische Fragen, wie z. B. die Strukturierung der Schulkindbetreuung oder Qualitätsfragen in der Kinderbetreuung für eine Einbindung der Eltern bedeutend.

Von Seiten der Stadt als Träger*in der Kitas werden bereits Austausch- und Kommunikationsprofile mit den anderen Träger*innen gepflegt. Wenn dies auch auf der Eltern-Ebene verstärkt würde, wäre das sicher eine große Bereicherung.
Der HEB hat bereits einen beratenden Sitz im Jugendhilfeausschuss sowie im Fachausschuss Familie und Kinderbetreuung und ist damit in verschiedene weitere Gremien eingebunden. Wenn eine intensivere Beteiligung gewünscht wird, zum Beispiel einen Sitz im Jugendhilfeausschuss mit Stimmrecht einzunehmen, dann unterstützen wir das sehr gerne, da für uns die Meinung und die Impulse der Eltern von großer Bedeutung sind.

Persönliches Statement

Unabhängig von unseren Fragen würde uns interessieren, welchen Stellenwert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Ihrer geplanten Politik hat, welche Unterstützung von Familien in herausfordernden Situationen wie zum Beispiel der Corona Krise planen und welche Schwerpunkte und Chancen zu Teilhabe und pädagogischer Bildung Sie im Bereich der Kinderbetreuung sehen. Wir freuen uns über Ihr Statement!

Als persönliches Statement möchten wir nochmal die Bedeutung der frühkindlichen Bildung und Förderung hervorheben. Nur wenn es eine gute Betreuung für die Kinder gibt, können Eltern gewiss sein, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch klappt. Die Qualität der Betreuung und das Vertrauen in die Kita sind wichtige Komponenten um auch der Berufstätigkeit mit freiem Kopf nachgehen zu können und die Kinder gut aufgehoben zu wissen. Für uns betrifft die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Mütter ebenso wie Väter. In der Corona-Krise zeigt sich, wie fragil die Systeme sind, wenn die Kita nicht in vollem Umfang oder gar nicht verfügbar ist. Diese Probleme haben wir selbstverständlich wahrgenommen und versucht, auf kommunaler Ebene einen gewissen Ausgleich herzustellen, so zum Beispiel die Entgelt-Rückerstattung bei Nichtinanspruchnahme der Kita oder auch die gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Wir denken, dass über unsere Sozialdezernentin sowohl die Kommunikation mit den Eltern, den Einrichtungen und Träger*innen gut aufgestellt ist, stehen aber selbstverständlich auch als politisch Verantwortliche in dieser Stadt jeder Zeit gerne als Ansprechpersonen zur Verfügung.

Wir haben in der Corona-Krise stark darauf gedrungen, dass die komplette soziale Infrastruktur, die ja flankierend für viele Familien als Anlaufstellen notwendig ist, nicht nur auf sichere finanzielle Fundamente gestellt bleibt, sondern auch Angebote macht und Beratung – wenn auch in anderer Form – aufrechterhalten bleibt, von der Familienbildung über die Erziehungsberatung, die offene Kinder- und Jugendarbeit oder auch die Angebote der Freien Träger im Gewaltschutznetzwerk.
Wir möchten auch noch darauf hinweisen, dass wir Sprachförderung in den Kindertagesstätten besonders wichtig finden, und – wie der Bildungsbericht der Wissenschaftsstadt Darmstadt zeigt – auch der frühe Zugang zur Kinderbetreuung für alle Kinder, aktuell ist es so, dass Kinder aus Familien mit Migrationserfahrung später in den Kitas ankommen und das schon ihren Bildungsweg beeinflusst. Das Projekt „Brücken bauen“ ist hier sehr hilfreich in der Ansprache der Eltern, damit sie mit ihren Kindern den Weg in die Kitas finden.

Wir bedanken uns abschließend ausdrücklich bei Ihnen, dass Sie mit Ihren Wahlprüfsteinen zur Kommunalwahl 2021 der Kinderbetreuung einen so wichtigen Stellenwert einräumen. Wir bedanken uns aber vor allem bei Ihnen allen für Ihr ehrenamtliches Engagement und die Brücke, die Sie für die Eltern in den Darmstädter Kitas bauen.

Yücel Akdeniz, Fraktionsvorsitzender Bündnis90/Die Grünen
Axel Eppich, stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher, Bündnis90/Die Grünen