Antworten P-Fragen Bündnis 90/DIE GRÜNEN Darmstadt

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1. Laufender Strukturwandel, Corona-Folgen, hohe Mieten: Wie halten Sie die Darmstädter Innenstadt attraktiv und lebendig?

Um die Innenstadt als Herz unserer Stadt zu bewahren, brauchen wir mehr Vielfalt, also mehr Wohnen, Kultur, Wissenschaft, Sport, kleine Einzelhandels-, Dienstleistungs-, Handwerksbetriebe, Co-Working-Orte und, wo immer möglich, viel Grün.
Ein Bereich, der sich gut zur Umgestaltung eignet, ist z.B. die Rheinstraße stadtauswärts zwischen Grafen- u. Kasinostraße. Mit den Arkaden in Südausrichtung ist die Seite ideal für die Nutzung als autofreier Boulevard mit Sitzgelegenheiten und Begrünung.
Der Welterbetitel für die Mathildenhöhe ist eine große Chance. Damit landet Darmstadt auf der Tourismuslandkarte Europas. Das kurbelt Übernachtungen, Gastronomie und Handel wieder an. Mit dem Ausbau von Angeboten wie dem „Digitalen Schaufenster“ und Fahrradlieferdiensten stärken wir den Einzelhandel. Der Umzug des Einwohnermeldeamts ins Luisencenter und das neue Innenstadtentwicklungskonzept sind weitere Schritte. Mit Handel, Kultur, Stadtplanung, Architekt*innen und der Bürgerschaft setzen wir es um.

2. Der lebendigen Sub- und Clubkultur Darmstadts fehlt es an geeigneten Orten, Räumen und Möglichkeiten, um sich frei zu entfalten. Welche Schritte werden Sie ergreifen, um diesen Kultursektoren bessere Rahmenbedingungen zu bieten?

Seit Mitte der 1970er-Jahre hat Darmstadt eine wachsende Club-Landschaft. Goldene Krone, Galerie Kurzweil, Oetinger Villa, 806qm, Schlosskeller, Bessunger Knabenschule, HoffArt und viele andere sind Keimzellen der Jugend-, Sub- und Gegenkulturen und damit unverzichtbare Elemente unserer vielfältigen Stadtgesellschaft.
Seit Beginn der Corona-Krise sind die meisten Clubs fast durchgängig geschlossen. Die große Not der Clubbetreiber*innen, der Kulturschaffenden, der Initiator*innen von Festivals, der Schausteller*innen sowie davon abhängiger Branchen wie Licht- und Tontechnik, Grafik und Marketing ist uns bewusst.
Wir sind u.a. dabei, neue Räume und Veranstaltungsorte zu mobilisieren, wo Clubevents infektionsschutzkonform wieder stattfinden können. So werden wir z.B. eine temporäre Open-Air-Clubarena auf dem Messplatz schaffen, die den verschiedenen Veranstalter*innen und Initiator*innen von Clubevents kooperativ zur Verfügung steht.

3. Wie nehmen Sie Rassist*innen und Rechtsextremist*innen in Darmstadt den Wind aus den Segeln, damit Darmstadt weltoffen bleibt?

Als Darmstädter*innen wissen wir, dass gerade die Vielfalt unsere Stadt so besonders macht. Die zivile Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Vorstellungen, der demokratische Streit hat uns als Stadtgesellschaft stets weitergebracht.
Doch auch hier müssen wir dem Erstarken extremistischer Haltungen und Gewalt sowie der Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken. Das gelingt nur mit intensiver Demokratieförderung, Extremismusprävention, Antirassismus- und Erinnerungsarbeit. Deshalb setzen wir u.a. seit über 10 Jahren Programme zur Demokratieförderung um.
Angesichts der aktuellen Lage wird auch Erinnerungsarbeit wieder zunehmend wichtiger. Darmstadt nimmt z.B. 2021 mit vielen Veranstaltungen an der Initiative „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ teil und gedenkt den rassistischen Angriffen in Hoyerswerda vor 30 Jahren.
Bündnisse und Initiativen, die Extremismus und Rassismus bekämpfen und Radikalisierung verhindern, unterstützen wir. Darmstadt ist und bleibt weltoffen!

4. Wohnraum ist in Darmstadt nach wie vor äußerst knapp. Wie möchten Sie konkret verhindern, dass Leben in Darmstadt zum Luxus wird?

Wir haben in den letzten 5 Jahren über 10.000 neue Wohnungen auf den Weg gebracht, ohne dass Darmstadt sich in der Fläche ausgedehnt hat oder auf Waldflächen zurückgegriffen wurde. Auf Lincoln und im Ludwigshöhviertel entstehen zurzeit neue Quartiere. Weitere sind auf dem Mess- und Marienplatz, dem Gelände des Klinikums in Eberstadt, des Heag Depots am Bölle und der Starkenburg-Kaserne geplant. Das entspannt den Wohnungsmarkt.
In einem Wohnungspolitischen Konzept sind alle Maßnahmen gebündelt, um den Wohnungsbau – besonders für niedrige und mittlere Einkommensgruppen – weiter voranzutreiben und politisch zu steuern. Jedes geeignete Mittel von der Sozialquote (25% Sozialwohnungen, 20% Wohnungen für mittlere Einkommen), über die einkommensabhängige Mietendeckelung bis zur sozialgerechten Bodennutzung kann jetzt noch wirksamer eingesetzt werden. Zudem ist Darmstadt eine der wenigen deutschen Städte, die noch ein starkes kommunales Wohnungsbauunternehmen haben. Mit uns wird das so bleiben. (999 Zeichen)

5. Mit welchen konkreten Projekten begegnen Sie auf kommunaler Ebene der Klimakrise?

Der Klimawandel ist die Herausforderung des 21. Jh. – und der Kampf muss in den Städten gewonnen werden. Deshalb machen wir Darmstadt bis 2035 klimaneutral. Dafür prüfen wir alle Vorhaben auf ihre Klimawirkung und richten unsere Entscheidung danach aus.
Die kommunalen Unternehmen sind unsere wichtigsten Partner: Die ENTEGA ist z.B. Vorreiterin bei der Förderung regenerativer Energien, die HEAG mobilo fährt seit über 10 Jahren mit Ökostrom. Der Ausbau des Radwegenetzes und das neue Straßenbahnkonzept sind weitere Schritte zur Verkehrswende.
Ab 2021 werden alle Gebäude der Stadt und der Stadtwirtschaft zu 100% mit Ökostrom versorgt, ihre Dächer wollen wir möglichst flächendeckend für Solaranlagen nutzen. Für städtische Neubauten gilt dann mind. der KfW40Standard.
Das Ludwigshöhviertel ist zukunftsweisend für neue Wohngebiete: Die Nutzung regenerativer Energie, Fotovoltaik, Dach- und Fassadenbegrünung sind verpflichtend. Ein Smart Mobility Konzept reduziert den Pkw-Verkehr auf ein Minimum.

6. Wie kann die Herausforderung der Digitalisierung lokal als Chance genutzt werden, um Darmstadt besser zu machen?

Darmstadt ist als Digitalstadt Beispiel dafür, wie mit neuen Technologien der Alltag der Bürger*innen, die Arbeit der Wirtschaft und die Vernetzung der Wissenschaft erleichtert werden können. Auch für mehr Nachhaltigkeit in der Umwelt- und Klimapolitik sind sie wichtig. Aktuell laufen Digitalisierungsprojekte in 14 städtischen Bereichen, darunter Lösungen für „Smart Traffic“, „Smart Waste“, intelligente Straßenlaternen, digitales Antragswesen und Check-in sowie ein digitales Messnetz für Luftschadstoffe. Das neu eingeführte Web-Videokonferenzsystem BigBlueButton nutzen ca. 6.000 Schüler*innen für das Homeschooling.
Wir GRÜNE kennen aber auch die mit der Digitalisierung verbundenen Gefahren und stehen für die Wahrung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten.
Die Digitalisierung wird voranschreiten. Wir werden sie nicht internationalen Großkonzernen überlassen oder zur Steuerung des privaten Lebens missbrauchen. Wir wollen sie nutzen, um neue Möglichkeiten und Freiheiten zu eröffnen.

7. Würden Sie beim Aufräumen des Rathauses in einem städtischen Tresor durch Zufall 10 Millionen Euro finden – wofür würden Sie das Geld ausgeben?

Durch Corona steht das kulturelle Leben fast vollständig still. Für die, die Kunst und Kultur in erster Linie genießen, nimmt das Lebensqualität. Für die Kreativen, vor allem aus der Freien Szene, aber bedeutet es den Verlust der Existenzgrundlage. Wir tun alles, was in unserer Macht liegt, um ihnen auch in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen, denn Kunst und Kultur sind die Seele unserer Stadt! Auf GRÜNE Initiative hin ist das Projekt Wir-für-Kultur entstanden, mit dem die Hilfen von Stadt, Land und Bund ergänzt werden. Viele Spenden konnten schon verteilt werden. Doch Corona dauert an. Daher nutzen wir die Millionen, um die Kulturszene weiter zu unterstützen. Wenn es dann endlich vorbei ist, veranstalten wir ein großes Festival mit allen Darmstädter Kulturschaffenden. Es könnte auch die Initialzündung für einen Bürgercampus am Osthang sein, den wir etablieren wollen, um die dortigen Kulturprojekte nach dem Bau des Besucherzentrums fortzuführen und einen Begegnungsort zu schaffen. (1.000 Zeichen)