Unser Wahlprogramm 2021

Am 14. März ist Kommunalwahl und wir Darmstädter*innen sind aufgerufen, die politischen Mehrheiten in unserer Stadt für die nächsten fünf Jahre zu bestimmen.
Trotz Corona – oder besser – gerade wegen Corona sollten Sie von dieser Möglichkeit unbedingt Gebrauch machen. Die Pandemie ist nicht nur eine existenzielle Bedrohung in gesundheitlicher und für viele auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Corona-Pandemie führt uns einmal mehr vor Augen, was die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte sind.

Corona ist eine Naturkatastrophe. Sie zeigt, wie abhängig wir von der Natur sind und wohin der rücksichtslose Umgang mit Natur und Wildtieren führt.

Gleichzeitig zeigt sie, wie angewiesen wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse sind. Natürlich sind diese nicht immer eindeutig, es gibt Diskussionen. Aber es gibt auch fakten-basierte Ergebnisse, auf deren Grundlage gehandelt werden muss.

Zudem zeigt Corona, wohin die Verwahrlosung der Vernunft führt. Wenn zum Beispiel abgestritten wird, dass die Bevölkerung von den Abstands- und Hygieneregeln profitiert und diese richtig und sinnvoll sind. Die Verwahrlosung der Vernunft beginnt jedoch nicht erst im Zusammenhang mit Corona. Sie kommt immer dann zum Tragen, wenn Fakten grundsätzlich abgestritten werden und es keine Möglichkeit mehr gibt, in einen rationalen Diskurs zu treten.

Nicht nur in den USA, auch in vielen anderen Demokratien suggerieren völkisch-identitäre Politikkonzepte den Menschen, dass es allein um sie selbst ginge und tragen damit zu einer zunehmend größer werdenden Spaltung der Gesellschaft bei.
Als Darmstädter*innen wissen wir, dass gerade die Vielfalt unsere Stadt so besonders macht. Die zivile Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Vorstellungen, der demokratische Streit hat uns als Stadtgesellschaft stets weitergebracht.

Wir GRÜNE sind seit unserer Gründung eine Bündnispartei. Innovative Impulse aus der Stadtgesellschaft greifen wir auf und setzen sie in konkretes Handeln um. In der integrativen Kraft liegt unsere Stärke.

Gemeinsam mit der ökologischen Bewegung haben wir schon vor über 40 Jahren die Bewahrung der Lebensgrundlagen aufs politische Tableau gebracht. Das ist heute wichtiger denn je: Klimaschutz ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts – und der Kampf gegen den Klimawandel muss in den Städten gewonnen werden. Und zwar in den Städten jener Länder, die über die technologischen und finanziellen Ressourcen verfügen. Deshalb machen wir Darmstadt bis 2035 klimaneutral. Das gilt für alle Bereiche: für Strom- und Wärmeversorgung, Mobilität, Wohnen und die Entwicklung von Innenstadt, Stadtteilen und neuen Quartieren.

Dabei haben wir stets das große Ganze im Blick. Wir werden weiterhin gute komplexe Kompromisse für alle Bürger*innen finden.

Unser Ziel ist eine solidarische Ökologie. Deshalb verbinden wir Klimaschutz und Soziales miteinander, bauen Kitas und Schulen aus, stärken das Gemeinwesen, fördern Kunst und Kultur und gestalten die Digitalisierung aktiv mit.

Weitere zentrale Projekte für die kommende Wahlperiode sind:

Die Innenstadt als lebendige Mitte erhalten.

Attraktive Innenstädte sind das Kennzeichen der europäischen Stadt. Hier finden Kultur und Begegnungen statt, wird eingekauft, entstehen Identität und Gemeinschaft. Doch das Bild wandelt sich. Die Corona-Pandemie beschleunigt den Trend hin zum Online-Kauf und setzt auch Gastronomie und Hotellerie zu. Um attraktiv und lebendig zu bleiben, müssen mehr Wohnen, Kultur, Wissenschaft, Sport, kleine und mittelständische Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Handwerksunternehmen, Co-Working-Angebote sowie viel Grün Einzug halten. Mit unserem Innenstadtentwicklungskonzept wurden bereits erste Schritte eingeleitet. Diese wollen wir gemeinsam mit Einzelhandel, Kulturschaffenden, Stadtplanung, Architekt*innen und der Bürgerschaft zügig umsetzen. Wir tun alles, um der Innenstadt durch eine größere Vielfalt ein neues Gesicht zu geben und sie als Herz unserer Stadt zu bewahren.

Wohnraum schaffen, statt die Zukunft zu verbauen.

In den vergangenen fünf Jahren haben wir über 10.000 neue Wohnungen auf den Weg gebracht, ohne dass Darmstadt sich in der Fläche wesentlich ausgedehnt hat. Diesen verantwortungsvollen und effizienten Umgang mit der Ressource Boden werden wir fortführen und dabei weiterhin bezahlbaren und klimafreundlichen Wohnraum schaffen. 
Um den Wohnungsbau weiter voranzutreiben und politisch zu steuern, wurden alle Maßnahmen in einem „Wohnungspolitischen Konzept“ gebündelt. Jedes geeignete Instrument von der Sozialquote (25 % Sozialwohnungen, 20 % Wohnungen für mittlere Einkommen), über die einkommensabhängige Mietendeckelung bis zur sozialgerechten Bodennutzung wurde analysiert, um es anschließend noch wirkungsvoller zum Einsatz zu bringen. Auf Marien- und Messplatz und dem Gelände des ehemaligen Klinikums in Eberstadt sind weitere neue Wohnquartiere geplant. Wir sorgen dafür, dass auch diese attraktiv, sozial durchmischt, energetisch nachhaltig und nach klimaneutralen Standards sowie mit einem hohen Anteil an naturnahen Grünflächen gestaltet werden.

Durch viele Gespräche mit der Bundeswehr ist es zudem gelungen, auch eine Perspektive für das Gelände der Starkenburgkaserne zu schaffen, sodass wir dort voraussichtlich 2027 einen weiteren neuen Stadtteil entwickeln können, ohne auf Wald- und Naturflächen zurückgreifen zu müssen.

Die Mobilität der Zukunft auf die Überholspur bringen.

Wie in allen anderen großen europäischen Städten wird auch in Darmstadt die Verkehrssituation zukünftig nur durch die Stärkung des Umweltverbundes zu bewältigen sein. Wir werden die Rad-, Fuß- und ÖPNV-Infrastruktur mit Hochdruck weiter ausbauen, um sie als Alternative zum Auto noch attraktiver zu machen. Es ist ganz klar: Die Ziele der Klimapolitik können ohne neue Radwege, neue Straßenbahnlinien und die ICE-Anbindung nicht erreicht werden.
Die Bedeutung der ICE-Anbindung kann dabei gar nicht hoch genug geschätzt werden. Der Güterverkehr innerhalb Darmstadts wird dadurch deutlich reduziert. Die Bestandsstrecken werden für den regionalen ÖPNV freigemacht, sodass die Kapazitäten erhöht werden können und unsere Stadt erhält endlich Anbindung an das europäische Schienennetz. Dabei setzen wir uns für optimalen Lärmschutz und eine Tunnelführung bis über die Stadtgrenze hinaus ein.

Digitalisierung nicht den anderen überlassen.

Darmstadt gilt als Vorreiterin in der Digitalisierung. Sie wurde in verschiedenen Rankings zur Zukunftsstadt gekürt und hat hohe finanzielle Förderungen erhalten. Nach langer intensiver Vorarbeit von Stadt und Stadtwirtschaft zusammen mit der Technischen Universität hat die Landesregierung entschieden, das Hessische Zentrum für Künstliche Intelligenz in Darmstadt anzusiedeln und 13 Mio. Euro in unserer Stadt zu investieren. 
Auch im Hinblick auf die Ausweitung der Nachhaltigkeit in der Umwelt- und Klimapolitik setzen wir auf eine konsequente Digitalisierung. Aktuell sind Projekte in 14 städtischen Bereichen in der Umsetzung. Angesichts der Corona-Pandemie hat das eine hohe Bedeutung für die Bürger*innen.
Die Digitalisierung wird voranschreiten. Wir werden sie nicht international agierenden Großkonzernen überlassen oder zur Steuerung des privaten, freiheitlichen Lebens missbrauchen. Wir wollen sie vielmehr nutzen, um neue Möglichkeiten und Freiheiten zu eröffnen.

Die Gesellschaft zusammenhalten.

Es ist uns gelungen, den sozialen Ausgleich zu verbessern und die Kinderbetreuung an einen bundesweiten Spitzenplatz zu bringen. Menschen, die arm sind und am Rande der Gesellschaft stehen, können sich darauf verlassen, dass sich unsere Sozialpolitik ihnen zuwendet und zwar nicht nur in Form von gesicherten Transferleistungen, sondern auch in Form neuer Chancen und Lebensmöglichkeiten. Wir haben die Gemeinwesenarbeit in abgehängten Quartieren gestärkt und diese durch Förderprogramme wie „Soziale Stadt“ und „Sozialer Zusammenhalt“ wieder an die Stadt herangeführt. 
Es ist zu befürchten, dass die soziale Ungleichheit durch die Corona-­Krise größer wird. Wir sind deshalb gefordert, Armut und Ausgrenzung noch vehementer zu bekämpfen. Wir werden alles tun, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.

Kultur fördern, denn sie ist in unserer Stadt mehr als relevant.

Durch die Corona-Krise steht das kulturelle Leben zurzeit fast vollständig still. Für diejenigen von uns, die Kunst und Kultur in erster Linie genießen, nimmt das Lebensqualität und Lebensfreude. Für die Kulturschaffenden und die selbstständigen Künstler*innen, vor allem aus der Freien Szene, aber bedeutet es den Verlust ihrer Existenzgrundlage. Das gleiche gilt für die Club-Szene und vom Kulturbetrieb abhängige Branchen wie Grafik und Marketing, Ton und Lichttechnik. Die Not von Kunst und Kultur ist uns bewusst. Wir tun alles, was in unserer Macht liegt, um den Kulturschaffenden auch in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen. Wir wissen: Die Kultur ist die Seele unserer Stadt.

Welterbe werden.

In diesem Jahr fällt voraussichtlich die Entscheidung der UNESCO, der Mathildenhöhe den Welterbetitel zu verleihen. Damit wird Darmstadt mit einem Schlag auf der Tourismuslandkarte Europas landen. Das könnte auch Übernachtungen, Gastronomie und Handel wieder ankurbeln.
Die Idee der Mathildenhöhe bestand seit jeher nicht allein in einem Weltentwurf für Kunst, Kultur, Architektur und Gartengestaltung. Sie war immer auch ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung. Auch wir sind bestrebt, immer wieder Verbindungen zwischen Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft zu schaffen. 
Mit dem Bewerbungsverfahren um den Welterbetitel haben wir die Verantwortung für das kulturhistorische Erbe angenommen. Als zentraler Identifikationsort Darmstadts erhält die Mathildenhöhe zurzeit eine denkmalgerechte und energetische Gesamtsanierung. Die Sanierung des Ausstellungsgebäudes wird im Sommer 2021 abgeschlossen sein. Es verfügt dann über einen technischen Standard, vergleichbar mit internationalen Ausstellungshäusern in Paris, London, Berlin oder Frankfurt. Das Besucherzentrum ist in Planung. Der Platanenhain kann gerettet werden.

Solide Finanzen dauerhaft sichern.

Bei all unseren Vorhaben ist der Haushalt unser strategischer Gesamtplan. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, die städtischen Finanzen zu sanieren und zu stabilisieren. Vor der Corona-Krise konnte die Nettoneuverschuldung der Stadt über sechs Jahre auf Null abgesenkt werden. Das eröffnete neue Spielräume für unsere ökologisch, ökonomisch und sozial zukunftsweisende Politik.
Durch die Corona-Krise sieht sich der Magistrat 2021 erstmals nicht in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Diese Situation wird vor allem durch dramatisch gesunkene Schlüsselzuweisungen vom Land Hessen und durch das prognostizierte Sinken der Gewerbesteuereinnahmen verursacht. Dieser neuen Herausforderung werden wir uns stellen und in der kommenden Legislaturperiode an unsere Haushaltskonsolidierungen der Jahre ab 2011 anknüpfen.

Eine starke Wirtschaft sichert die soziale und ökologische Stadt.

Die Wirtschaft in unserer Stadt ist stark, weil sie mit einem breiten Branchenmix aufwarten kann. Einbußen in der einen Branche werden in der Regel durch Zugewinne in der anderen Branche ausgeglichen. Wir haben verschiedene Wirtschaftscluster – Chemie/Pharma, Maschinen-/Anlagenbau, IT, Kosmetik und Weltraum-/Satellitentechnik. Dazu kommen zahlreiche Unternehmen, die im Bereich nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung tätig sind. 
Über viele Jahre haben wir eine zielgerichtete Standortentwicklungspolitik betrieben, die unsere Stadt für Investor*innen interessant gemacht hat. Zudem setzt unsere GRÜNE Wirtschaftspolitik auf eine starke Stadtwirtschaft. Die kommunalen Unternehmen haben für die Umsetzung unserer Klima- und Wirtschaftspolitik in den Bereichen Energie, Wohnen und Verkehr eine große Bedeutung.

Rettung des Stadtwaldes hat Priorität


Seit die GRÜNE Umweltdezernentin im September 2019 den „Runden Tisch Wald“ initiiert hat, wurde dort mit großem Engagement und hoher fachlicher Expertise gearbeitet. Durch die Besetzung mit Expert*innen aus dem gesamten Bundesgebiet, Mitgliedern von Hessenforst und Naturschutzverbänden sowie Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Bürgerinitiativen saßen unterschiedliche Interessengruppen am Tisch. Auch die Zivilgesellschaft war aktiv beteiligt. Dieser partizipative Prozess ist einzigartig und kann als Darmstädter Modell zum Vorbild für andere Länder und Kommunen im Umgang mit dem Wald werden. Der Bericht des Runden Tisches zeigt transparent und fundiert die Richtung des weiteren Vorgehens auf. Eine naturnahe Bewirtschaftung ist dabei eindeutig der Schlüssel, um den Wald zukunftsfähig zu machen. Die Handlungsempfehlungen müssen jetzt schnell umgesetzt und notwendige Sofortmaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden. Wir tun alles, um den Wald zu erhalten und seine Resilienz gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise zu stärken.
Auch in die Stadt werden wir unter anderem mit artenreichen Miniwäldern, begrünten Haltestellendächern und Straßenbahngleisen sowie Programmen zur Dach- und Fassadenbegrünung mehr Natur bringen.

In Zukunft wird es noch mehr als bisher darauf ankommen, Darmstadt ökologisch, modern und solidarisch weiterzuentwickeln. Wir müssen alles daran setzen, dass wir zusammenhalten und besonnen sind. Über den richtigen Weg können wir streiten, aber lassen Sie uns gemeinsam unsere Demokratie verteidigen und unsere Stadt voranbringen.

Nur starke GRÜNE sind Garanten für ein solidarisches und ökologisches Darmstadt.

Ihr Jochen Partsch

Die einzelnen Kapitel des GRÜNEN Wahlprogramms: