Zukunftsfähige Verkehrspolitik für Darmstadt!

Grüne Verkehrspolitik fußt auf dem Ansatz „Vision Zero“ für die Menschen in Darmstadt – das bedeutet, keine Toten und Schwerverletzten mehr im Straßenverkehr. Der Erfolgsfaktor ist dabei die Verringerung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 – bei minimalem Zeitverlust in der Stadt. „Leider wird dies vom Bundesverkehrsminister bekanntermaßen komplett ignoriert und ausgesessen, obwohl inzwischen über 1.000 Städte und Kreise mit etwa der Hälfte der gesamtdeutschen Einwohner*innen die eigene Entscheidungshoheit fordern“, sagt Fraktionsvorsitzender Andreas Ewald.

Der zweite Ansatz Grüner Verkehrspolitik beruht auf der Immissionsfreiheit und dem Gesundheitsschutz. Der nötige Verkehr, der uns in Bewegung und die Städte am Leben hält, wird nicht weg gehen. Es ist aber für die Gesundheit und Aufenthaltsqualität wichtig, dass Luftverschmutzung, Lärm und Flächenverbrauch möglichst reduziert werden.

„In diesem Dreiklang ist klar, dass eine reine Antriebswende zum Elektroauto nur bei der Luftverschmutzung ansetzt, nur bei niedrigen Geschwindigkeiten beim Lärmschutz wirkt und der Flächenverbrauch bestenfalls gleichbleibt“, ergänzt Stefan Opitz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Stadtfraktion.

Daran knüpft sich für uns Grüne die Grundsatzfrage an: Was ist Stadt, für wen ist sie, wem dient eine Straße? Was leistet die Stadt für die Menschen?   

Straßen waren einmal Orte der Begegnung und des nachbarschaftlichen Austauschs. In Folge der „autogerechten Stadt“ wurden sie mehr und mehr vom ruhenden und fahrenden Verkehr belegt. Diese Entwicklung ist mittlerweile rückläufig. An vielen Stellen in Darmstadt werden die Verkehrsflächen neu geordnet, wobei sich genau hieran auch viele Diskussionen entzünden.

„Bei der Schaffung neuer Quartiere achten wir darauf, dass diese von vornherein autoarm gestaltet werden und ausreichend alternative Mobilitätsangebote sowie naturnahe Grün- und Erholungsflächen vorhanden sind. Im Bestand ist die Umgestaltung schwieriger. Mit einer Fülle an Maßnahmen wollen wir hier dafür sorgen, dass auch hier mehr Lebensqualität entsteht. Diese kommt allen Bürger*innen zugute, denn sie machen unsere Stadt freundlicher und gerechter“, so Andreas Ewald.

Alle profitieren von freieren Straßen: Autofahrende, für die das Auto das beste Verkehrsmittel ist, und der Wirtschaftsverkehr auch.   

Für Darmstadt ist die Rechnung einfach: Rund 180.000 PKW-Fahrten finden täglich mit Start und Ziel innerhalb Darmstadts statt. Dazu kommen 170.000 Fahren aus dem Umland in die Stadt. „Wenn es gelingt, für möglichst viele Fahrten gute Alternativen anzubieten, dann funktioniert der ganze Verkehr besser. So wird die Stadt insgesamt sicherer, gesünder, lebens- und liebenswerter“, führt Stefan Opitz weiter aus und zieht das Fazit: „Dass dies alles andere als eine Anti-Auto-Politik ist, sondern ganzheitlich auf alle Verkehrsarten achtet, beweisen gerade dieser Tage die Öffnungen der Nieder-Ramstädter- und der Frankfurter Straße. Beides sind Straßenplanungen für alle – aus Grüner Hand auf den Weg gebracht.“

Gerade für Wohnstraßen dreht sich vieles um die Frage: Welche dieser Straßenseiten möchten wir in unserem Wohnumfeld haben bzw. wie mischen sich die beiden Hälften in einem Quartier?

Warum gibt es Gegenwind zu den Maßnahmen?  

In der Diskussion über Mobilität in den Städten zeigt sich die Widersprüchlichkeit menschlichen Handelns. Zukunftsfähige Verkehrspolitik braucht einen langen Atem, vor allem in den Städten, die seit dem 2. Weltkrieg vollkommen um das Auto herum gebaut wurden – nicht um die Menschen. Das Auto ist viel zu oft real oder gefühlt die einzige Alternative. Oft genug sind die anderen Formen der Mobilität erst einmal unbequemer, lästiger, mühseliger. Das ist der Punkt, an dem wir in den Städten arbeiten müssen. Ökologische Mobilität muss einfacher und bequemer werden. Sie muss Spaß machen. Entgegen allem, was uns Grünen nachgesagt wird, hat das Auto seinen Platz in dieser Vielfalt.

 Der Gegenwind entsteht aus dem Wandel. Veränderung wird immer kritisch beäugt: Wird etwas besser oder doch schlechter? Jede Veränderung im Alltag durchläuft Zyklen von Ablehnung bis zur Integration in den Alltag. Aktuell ist unsere Welt jedoch von so vielen Krisen geschüttelt und die Zukunft wird als unsicherer denn je empfunden, so dass der Wandel derzeit besonders viel Unbehagen auslöst. Veränderungen müssen deshalb behutsam angegangen werden, die Menschen beteiligen, und die Phase der Ablehnung hin zum Ausprobieren der Änderungen begleiten.

Wir sind aber auch überzeugt: Es muss Veränderungen geben, damit der Lebensstandard bleiben kann und damit es besser werden kann. Und deshalb führt kein Weg dran vorbei, denn zukunftsfähige Verkehrspolitik kommt allen zugute. Stadtentwicklung ist immer ein komplexer Kompromiss zwischen unterschiedlichsten Interessenlagen und Meinungen. Sie braucht Geduld. Sie ist auch nicht immer einfach. Diskussionen gehören dazu. Sie sind Teil der Aushandlung und völlig normal. Wir müssen den Dingen ihre Zeit einräumen, Zeit, die eigentlich knapp ist und immer knapper wird.

Dieses Dilemma ist auch ein Teil des Gegenwinds. Auf der anderen Seite sehen wir: Die Akzeptanz für Parkraumbewirtschaftung in den umgesetzten Vierteln ist sehr hoch. 75 Jahre autozentrierte Stadtentwicklung sind nicht von heute auf Morgen umzukehren. Gleichwohl lohnt es sich, Schritt für Schritt auf dem Weg zu Flächengerechtigkeit dranzubleiben.

Ein weiterer Aspekt, an den wir – allzu menschlich – nicht erinnert werden möchten: Nicht Grüne Verkehrspolitik verknappt den Platz in der Öffentlichkeit – sondern Menschen, die immer größere Autos kaufen, ohne auf ihrem privaten Grund passende Abstellmöglichkeiten zu haben. „Die Straßen verfetten: Pro VW Golf ca. 18 cm mehr Breite, 60 cm mehr Länge als noch vor paar Jahrzehnten und schon fehlen in der normalen Wohnstraße (2 Parkreihen und Gegenverkehr) bei gleicher Automenge auf jeder Seite in der Breite rund 80 cm, und in der Länge Platz für mehrere Fahrzeuge.

Zukunftsfähig werden unsere Städte, wenn wir alle mehr Raum zum Leben haben und gesünder wird unser Leben mit mehr Bewegung.

“Jetzt ist wieder die Zeit für gute Neujahrsvorsätze. Im Privaten nehmen sich viele „mehr Bewegung“ fürs neue Jahr vor – tun wir es gemeinsam auch für die Lebensqualität in unserer Stadt!”, so Stefan Opitz.

Wo kann man heute im Stadtgebiet als Familie noch so entspannt gemeinsam spazieren gehen? 

   

Wie sieht das städtische Lebensumfeld heute aus?  

Zufußgehende laufen im Gänsemarsch hintereinander statt nebeneinander, müssen auf die Straße ausweichen und erst recht mit Kinderwagen oder Rollstuhl einen Zickzackkurs durch die Straßen nehmen. Motorhauben, über die Kinder nicht mehr drüber schauen können, mit einem enormen toten Winkel vor dem Auto. Spielende Kinder in einer Wohnstraße? Abends rausgestellte Stühle und ein Plausch mit den Nachbarn? Private Straßenfeste? Schon lange nicht mehr üblich.

Warum eigentlich? Warum nehmen wir das hin?

„Die Individualisierung, die zerfallende Gemeinschaft, das Verdrängen der Schwachen – auch hier ist es leider angekommen. Grüne Verkehrspolitik ist Sozialpolitik, ist Stadtentwicklung, ist viel mehr als die Frage von Fahrspuren. Aber sie ist auch die unangenehme, Widerstand erzeugende Wahrheit ‚wir können nicht so weitermachen wie bisher‘ – während andere suggerieren mit „klugen Konzepten“ bleibe alles, wie es in Wahrheit nie war“, sagt Fraktionsvorsitzende Eva Bredow-Cordier.

„Es ist klar, dass wir im Kampf gegen die Klimakrise Veränderungen brauchen. Hierzu zählt auch unsere Städte noch grüner zu machen, Flächen zu entsiegeln und Alternativen zum Auto zu stärken. Uns GRÜNEN ist klar, dass wir das nur mit den Menschen gemeinsam erreichen können, gleichzeitig aber auch ehrlich sein müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Andere suggerieren hier spürbare Änderungen seien nicht notwendig; alles werde wie im Märchen gut werden“, ergänzt Andreas Ewald.

„Man versucht also von Veränderungsängsten zu profitieren und gleitet so immer stärker in den Populismus ab, den man doch vermeintlich bekämpfen wollte. Kurzfristig ist das für uns Grüne eine schwierige Situation. Aber wir stellen uns ihr, sind mit den Menschen kontinuierlich im Gespräch. Mittel- und langfristig zahlt sich Ehrlichkeit und vertrauenswürdiges Handeln immer aus – auch in der Politik. In Darmstadt spüren wir das täglich im Dialog in den Quartieren. Die Menschen wollen, dass die Stadt sich weiterentwickelt, und wir begleiten sie dabei. Die Menschen wünschen sich ein lebenswertes Zuhause in der Stadt und sie wissen, dass wir dafür eine sehr wichtige Stimme sind“, ergänzt Stefan Opitz.

Zu konkreten Projekten in Zeiten knapper Kassen:

 Zum Verkehrsversuch Lichtenbergblock:

Die Initiative für die Heinerblocks kommt aus der Zivilgesellschaft. Mit mehr als 2.000 Unterschriften haben sich Bürgerinnen und Bürger mit diesem Anliegen an die Kommunalpolitik gewandt. „Wir haben dieses Anliegen aufgegriffen und in der StaVo für unseren Antrag parteiübergreifende Zustimmung bekommen. Hier geht es nicht um Parteipolitik, sondern um Lebensqualität für Menschen. Als Grüne werden wir uns weiterhin für dieses Ziel einsetzen.

Wir werden schauen, was auch mit schmalem Geld an Gewinnen für die Aufenthaltsqualität möglich ist: Der Versuch ist viel mehr als ein Verkehrsthema, es geht um Aufenthalt, nachbarschaftliche Kontakte und Lebensqualität im Viertel. Wir stehen weiterhin zu dem Ziel des Versuchs. Durch den Sparzwang werden wir die Begleitforschung reduzieren. Die Veränderungen an der Verkehrssituation möchten wir dennoch erreichen. Viele Maßnahmen wie Spielstraßen, Einbahnstraßen oder auch mehr Flächen für Begrünung kosten nicht unbedingt viel Geld – machen aber einen großen Unterschied für die Menschen aus, die dort leben.

 ÖPNV im Sparzwang, Fahrermangel und Schwierigkeiten mit neuen Angeboten:

Beim ÖPNV haben wir in der Vergangenheit viel ausgebaut – und steigende Passagierzahlen zeigen, dass dies wirkt. Durch die Haushaltssituation kommen weitere Verbesserungen aus dem geplanten Nahverkehrskonzept etwas später, als wir es uns wünschen. Auch wenn der Ausbau etwas gebremst wird – die Richtung bleibt bestehen.

Mobilität braucht eine gute Finanzierungsgrundlage und der ÖPNV braucht dringend andere Finanzierungssäulen als den Verkauf von einzelnen Fahrscheinen. Durch die erfolgreichen Flatratetickets geht die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auf – jedes 365-Euro-Ticket kostet noch so viel wie zur Einführung, während die Kosten gleichzeitig steigen. Die Finanzierung des ÖPNV ist seit weit über 10 Jahren Diskussionspunkt in Fachkreisen – nun dringt es endlich auch in die Öffentlichkeit.

Wir ringen gemeinsam mit der Koalition in Darmstadt um jeden Baustein – manches fällt weniger schwer wie etwa die WLAN-Abschaltung, manches ist harte Abwägung (Nachtverkehr für Nachtschwärmer oder frühere Takte für die Frühschichtpendler).

 

Wichtig für uns ist: ÖPNV ist Daseinsvorsorge.

Auch wenn wir gerade nicht so investieren können wie wir das wollen, müssen wir zu jeder Tages- und Nachtzeit den Menschen ermöglichen, damit Wege zurückzulegen.

Wir möchten einen ÖPNV in Darmstadt, der allen Menschen zur Verfügung steht und

wir wollen eine Politik, die Mobilität weiterdenkt und nicht mit privaten PKW gleichsetzt. 

Weiterführende Links und Quellen: 

1) Übersicht Initiative lebenswerte Städte: https://www.lebenswerte-staedte.de/de/staedte-und-gemeinden-der-initiative.html

2) Beispielfoto zum Platzverbrauch von Verkehrsmitteln: https://irishcycle.com/2022/09/16/dublin-produces-local-version-of-iconic-image-of-how-much-space-modes-of-transport-take-up/  Anmerkung: Das Bild für „Car“ sieht gleich aus, wenn man über ein Verbrenner-Fahrzeug, ein elektrisches Fahrzeug oder ein autonomes Fahrzeug spricht. Und die Bilder ignorieren allesamt den ruhenden Verkehr, der den Platzbedarf jeweils nochmal etwa verdreifacht.

3) Kinder malen ihren Schulweg erschreckend unterschiedlich, je nach genutztem Verkehrsmittel: https://www.kindundumwelt.ch/_files/Kinder_auf_dem_Weg_Vortrag_Wolfurt_2014.pdf

4) Neuwagenpreis 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36408/umfrage/durchschnittliche-neuwagenpreise-in-deutschland/

5) Unterhaltskosten verschiedener Automodelle: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/autokosten/uebersicht/

6) In Japan muss beim Autokauf ein passender privater Stellplatz nachgewiesen werden (ohne dass wir das als Forderung für Darmstadt stellen): https://www.handelsblatt.com/politik/international/japan-autos-die-wie-toastbrote-aussehen-japans-autopolitik-regt-trump-auf/24067414.htmL

7) Steigender Platzbedarf von Autos: https://www.sueddeutsche.de/auto/design-autos-mit-fettsucht-1.2860340

8) Steigender Platzbedarf von Autos: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/autokatalog/autotest/schmale-autos-schmale-garagen/

zurück